Yves Mettler

Yves Mettlers (*1976) Untersuchungsfeld sind die urbanen Strukturen der Gegenwart. Konzeptuell und spielerisch hinterfragt der Künstler die gesellschaftliche Bedeutung von öffentlichen Plätzen und Gebäuden. Seine Modellobjekte reflektieren vielschichte Fragestellungen an diese Bauten, die weit über ihre praktische Funktion hinausgehen: Thematisiert werden beispielsweise ihre gesellschaftliche Relevanz, ihre kulturelle Identität oder ihre Repräsentation. Zu Mettlers künstlerischen Strategien zählen die Semantik der Zeichen, Neue Medien, Fotografie, Grafik und Installation. In vertraut wirkenden Text- und Tonarbeiten lässt der Künstler Architekturmodelle miteinander kommunizieren. Humorvoll und geistreich scheint er ihnen eine Stimme zu geben und befragt sie in ihrer Wesensart.

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«Geheimnis am Stadtrand», 2017

Weisser Stift auf Geländer
Ort: Staumauer-Geländer, Seeseite

Yves Mettler, «Geheimnis am Stadtrand», 2017, Weisser Stift auf Geländer, Bild © Ralph Feiner

Yves Mettler, «Geheimnis am Stadtrand», 2017, Weisser Stift auf Geländer, Bild © Ralph Feiner

Auf dem Geländer der Albigna-Staumauer führte Yves Mettler eine Schreibperformance durch: Mit einem weissen Stift schrieb er eine Kurzgeschichte auf den rund 700 m langen Handlauf. Im Zentrum der Geschichte steht ein Bürgermeister. Bei diesem handelt es sich um eine fiktive Figur, die Yves Mettler vor rund zwei Jahren schuf («Europe Square [From With Love]», 2015). Mit ihr behandelt der Künstler aus einer subjektivierten und personifizierten Sicht Fragen zu zivilen Lebensräumen und untersucht den erweiterten Begriff der Urbanität. Aspekte wie Mobilität und Identität werden beiläufig angesprochen. Der weitgereiste Jungpolitiker will die Stadt besser mit Europa verbinden und lokale Unternehmen fördern. Der Frage, welcher Infrastrukturen es für den urbanen Raum bedarf und wo der Stadtrand aufhört, geht er schliesslich wandernd nach. Sein Amt -niederlegend, erreicht er die Albigna-Staumauer. Der Künstler-Autor vollführt an dieser Stelle einen fantastischen literarischen Dreh.

Auf der Balustrade der Seeseite geschrieben, ist der Text nur mit körperlichem -Bemühen und auf dem Rückweg lesbar: mit den Erfahrungen der eigenen Herkunft, den Erlebnissen der Wanderung über den Wasserkraftanlagen der ewz und der Kenntnis des Bergpanoramas im Gepäck.

Yves Mettler, «Geheimnis am Stadtrand», 2017, Weisser Stift auf Geländer, Bild © Ralph Feiner

«Hotel Helvetia», 2006/2017

(in Zusammenarbeit mit Christian Kosmas Mayer)

Beutel mit handgenähtem Spielteppich, Würfeln und Spielregeln
Ort: Capanna da l’Albigna

Yves Mettler, «Hotel Helvetia», 2006/2017, Beutel mit handgenähtem Spielteppich, Würfeln und Spielregeln, Bild © Ralph Feiner

In der Capanna da l’Albigna ergänzt Yves Mettler (*1976) die vorhandenen Gesellschaftsspiele um ein eigenes: das in Zusammenarbeit mit Christian Kosmas Mayer (*1976) entstandene «Hotel Helvetia».

Auf dem Spielteppich findet sich vor einer schönen Bergkulisse der Querschnitt eines Themenhotels mit zehn Zimmern: das «Hotel Helvetia». Jedes Zimmer widerspiegelt ein Charakteristikum der Schweiz: den Rütlischwur, das Kajütenbett des Sportzimmers, Mitglieder der Schweizer Garde. Die Zimmer sind nummeriert von zwei bis zwölf. Die gewürfelte Augenzahl entscheidet darüber, in welchem Zimmer die Spielerinnen und Spieler eine Münze abgeben. Hat man Glück und wirft eine Zahl, auf der bereits eine Münze liegt, darf man diese selbst einstecken, anstatt einen Sold zu bezahlen. Bei der Nummer sieben, der Hochzeit, muss jeder eine Münze hinterlassen. Landet man beim Empfang des Hotels, kriegt man alle Münzen bis auf jene des Felds sieben. Nur wer die Zwölf würfelt und auf dem Gewinnerfeld der Helvetia landet, wird mit allen auf dem Spielteppich liegenden Münzen ausbezahlt.

Was spielerisch daherkommt, weist weitreichendere Bedeutungsebenen auf: «Hotel Helvetia» entstand 2006 für eine Ausstellung in der Shedhalle Zürich mit der Fragestellung «Kolonialismus ohne Kolonien?». In Zürich wurde das Spiel zusammen mit einem Video ausgestellt, worin gezeigt wird, wie der in Kairo handgenähte Teppich in Ägypten abgeholt und wie das Spiel in einer Hotelstube in Andermatt gespielt wird. «Hotel Helvetia» basiert auf dem traditionellen Glückshaus, das Schweizer Söldner als Erinnerung an die Heimat und als möglichen Nebenverdienst im ausländischen Kriegslager spielten. Die Gestaltung der Spielstruktur als Hotel weist darauf hin, dass wir alle nur für eine bestimmte Zeit den einen oder anderen Ort mit einer gewissen Rolle besetzen. Wo wir landen, ist wie beim Würfeln stark vom Zufall bestimmt. Der eigene Profit auf einem Feld ist abhängig von der Präsenz eines anderen. Mit der Landesbezeichnung verweist Yves Mettler auf die Schweiz als kapitalistischen Umschlagplatz. «Man kann es [das Hotel] reich wieder verlassen oder darin alles verlieren, man kann ehrlich sein oder schamlos betrügen, über allem wacht die Patronin mit ihrem Schild und ihrem Schwert.» (Yves Mettler)

Yves Mettler, «Hotel Helvetia», 2006/2017, Beutel mit handgenähtem Spielteppich, Würfeln und Spielregeln, Bild © Ralph Feiner